Neuanfang im Miteinander

Erste Biographie über den legendären sowjetischen Kulturoffizier Sergej Tulpanow

Inge und Michael Pardon, Tulpanow. Stalins Macher und Widersacher. Die Biografie, edition Ost, Berlin 2024, 256 Seiten, 28 Euro

Sergej Tulpanow (1901 bis 1984) war zweifellos das bekannteste Gesicht der sowjetischen Besatzungsmacht im Osten Deutschlands zwischen 1945 und 1949. Der legendäre Kulturoffizier sorgte dort maßgeblich dafür, das kulturelle Leben wieder in Gang zu bringen, Universitäten und andere Institutionen der Wissenschaft und der Bildung in humanistischem Geist neu zu eröffnen. Als Vertreter der Sieger, dem das Ausmaß der Verbrechen von Deutschen in seiner Heimat nur zu bewußt war, setzte er auf einen Neuanfang im Miteinander mit den Besiegten.

Inge Pardon und Michael Pardon (1947 bis 2023) haben die erste Biographie des Wissenschaftlers und Militärs Tulpanow vorgelegt. Das setzt in Zeiten, da Politik und Medien so gefährlich wie widerwärtig russophobe Ressentiments befeuern, ein Achtungszeichen, mahnt zur Besinnung. Ich kann das Buch nur empfehlen, so wie ich es in der Zeitschrift „Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung“ (Heft 4-2024) bereits getan habe. In der Rezension heißt es über Tulpanow: „Sein größtes historisches und an Nachwirkung reichstes Verdienst besteht sicher darin, mit der Autorität der Besatzungsmacht alle Bestrebungen unterstützt zu haben, das Bildungsprivileg der Begüterten zu brechen, nicht nur gerechtigkeitshalber, sondern ´um das gesamte Begabungspotential des Volkes erschließen zu können´, wie es die Pardons formulieren. Bildung ist die Basis für Kritikfähigkeit. Insofern hat es Tulpanow mitbewirkt, wenn der Osten Deutschlands, wie jüngste Wahlen wieder zeigten, nicht so einfach mit ´Bild, BamS und Glotze´ regiert werden kann, wie es ein früherer Kanzler so zynisch wie realistisch für die Landstriche seiner Herkunft befand.“

Und: Erstmals veröffentlicht werden jetzt auf deutschesneuland.de Erinnerungen des DDR-Journalisten Harald Wessel (1930 bis 2021) an Sergej Tulpanow. Sie entstammen Wessels fragmentarisch gebliebener Autobiographie „Doppelt befreit“. Hier klicken