Selbstversenkung

„Die Linke“ lädt Sahra Wagenknecht als Rednerin bei den Energiepreis-Protesten aus

Ausgerechnet jene Frau, die unter selbstdenkenden Normalbürgern in Deutschland und insbesondere im Osten den meisten Zuspruch findet, hat die Partei „Die Linke“ nun von ihrer Kundgebung in Leipzig ausgeladen, die sich gegen die rapide steigenden und für viele bald unbezahlbaren Energiepreise richten soll. Sahra Wagenknecht darf am 5. September nicht auf dem Augustusplatz sprechen. Damit will die Partei sicherstellen, daß von der Tribüne aus nicht die Forderung laut wird, die Sanktionen und den Wirtschaftskrieg gegen Rußland zu beenden, wie sie Wagenknecht schon mehrfach erhoben hat.

Wagenknechts Forderungen sind unter Ostdeutschen derzeit fast Allgemeingut. Und es ist eine Beleidigung, denen, die das vertreten, zu unterstellen, sie würden russische Progaganda nachplappern. Die Leute sehen und spüren, was auf sie zukommt, und sie haben den Mut, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen: Die Energiepreise können erst wieder auf erträgliche Höhen fallen, wenn die Konfrontationspolitik gegenüber Rußland, die lange vor dem Ukrainekrieg begann, ihr Ende findet und die Zusammenarbeit wieder aufgenommen wird. Und die Leute wollen den Frieden, wissen aber: Der Krieg endet erst, wenn bei Verhandlungen die richtigen am Tisch sitzen: die USA und Rußland, denn zwischen denen findet die Auseinandersetzung eigentlich statt. Die Ukrainer werden in ihr verheizt, die Bevölkerungen Europas in einem Maße ausgeplündert, wie es seit den Krisen der 20er und 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts nicht mehr zu sehen war.

„Die Linke“ will verhindern, daß sich dieser Verstand im Straßenprotest massenhaft unter ihren Fahnen artikuliert, obwohl das Gegenteil ihre Aufgabe wäre. Sie beschränkt sich auf die Forderung, die Gas- und Strompreise zu „deckeln“, die sozialen Folgen der Sanktionspolitik „abzufedern“. Damit camoufliert sie ihren Kurs tatsächlicher Unterstützung des Sanktionskurses von Bundesregierung und EU als Vasallen der an einem langen Hinziehen des Krieges offensichtlich interessierten USA. Das ist verrückt, auch weil „Die Linke“ damit Leute in Scharen hinter die von rechts aufgestellten Banner oder in apathische Resignation treiben wird.

Es sieht so aus, als stünde „Die Linke“ jetzt vor der Spaltung. Auch insofern erinnert die Situation an den August 1914, als die Führung der SPD mit ihrer Politik des „Burgfriedens“ und der Zustimmung zu den Kriegskrediten den Kurs von Kaiser und Regierung unterstützte. Es war eine Tragödie, mit der die verhängnisvolle Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung begann. Ihre Wiederholung als Farce der Selbstversenkung eines Schiffes, das auf dem Kurs Wagenknechts wieder beträchtlich an Fahrt aufnehmen könnte, bestätigt Karl Marx´ einschlägiges Bonmot. Aber das ist alles andere als ein Trost.