Bekanntes Muster

Rußlands Übergriff auf die Ukraine und die Methoden des Menschenrechtsimperialismus

Krieg ist furchtbar und darf kein Mittel der Politik sein. Das gilt auch für den militärischen Übergriff Rußlands auf die Ukraine. Allerdings sollte sich der Westen mäßigen in seinen hochmoralischen Verurteilungsrufen. Sie sind selbstgerecht. 

Wladimir Putin repliziert zur Begründung der russischen „Militäroperation“ ein Argumentationsmuster, wie es die NATO bei ihrem Luftkrieg gegen Jugoslawien/Serbien 1999 angewendet hat. Was heute die „Volksrepubliken“ im Donbaß sind, war damals das Kosovo. Wo heute ein „Genozid“ an den Russen drohen soll, stand damals angeblich ein „Völkermord“ an den Albanern bevor. Wie aus einem Text des Münchener Völkerrechtlers Christian Walter in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom heutigen Tage (24. Februar 2022) hervorgeht, ist es eine Interpretationsfrage, inwieweit militärisches Eingreifen vom Völkerrecht gedeckt ist, wenn einem Volk im Falle des Verbleibens im bisherigen Staatsverband ein Genozid droht. Ob ein solcher Fall vorlag, sei bei den Verhandlungen des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag zur Sezession des Kosovo nicht entschieden worden.

Gelogen und desinformiert wird bzw. wurde nun aber in dem einen Fall wie dem anderen. Und insofern sind beide Kriege völkerrechtswidrig. Offensichtlich benutzt Putin sehr bewußt das Genozid-Argument auch als höhnische Antwort an den US-geführten Westen, dessen Menschenrechtsimperialismus sich bei der Zerstörung des Irak, Libyens und Syriens ausgetobt hat. 

Wenn Deutschlands grüner Vizekanzler Robert Habeck sagt, mit Rußlands Übergriff auf die Ukraine sei eine neue Situation in Europa und der Welt eingetreten, dann hat er recht. Aber anders, als er meint. Der Krieg war nach Europa schon 1999 bei den völkerrechtswidrigen Bombardements auf Jugoslawien zurückgekehrt. Deutschland hat sich daran beteiligt. Das Neue besteht darin, daß nun Rußland sich dasselbe herausnimmt, was sich kraft ihrer dominierenden Stellung bisher nur die USA und deren NATO-Freunde leisten zu können meinten: Kriege für ihre Interessen unter dem Vorwand zu führen, humanitäre Katastrophen zu verhindern. 

Ihren Urgrund hat die jetzige Lage in den gebrochenen Versprechen der NATO aus dem Jahr 1990, ihr Gebiet nicht nach Osten auszudehnen. Der Krieg wäre abzuwenden gewesen, hätte Rußland die geforderten Sicherheitsgarantien erhalten. Dazu zählt es, eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine definitiv auszuschließen. Putin ist kein Irrer und befindet sich auch nicht in einem „Blutrausch“, sondern setzt Rußlands Interesse, ihm erwiesenermaßen feindlich gegenüberstehende Mächte auf Abstand zu halten, mit deren eigenen Methoden durch.